Sa 27. Apr 2024, 13:27
«Lass mich das vorweg in die Runde sagen, weder lügen die
Musen noch sagen sie die Wahrheit, wie es ihnen gefällt.
Sondern die Männer vom Lande unterstellen es,
- besonders jenen mit runden Bäuchen -
Falsches bewusst so zu sagen, dass einer es fürs seines hält.
Oder aber bei einem Wunschkind bewusst Wahres zu sagen
und zu feiern.» (Hesiod, Theogonie, Verse 24 bis 28)
Sa 27. Apr 2024, 13:33
«Über den Ursprung, aber sagt, was als erstes entstand.»
Sa 27. Apr 2024, 13:45
Überspringt man diesen Text als ‘ex constructiones’, so sind bei Hesiod Chaos und Eros thematisch verbunden,«jedoch ferner das breitbrüstige Plateau; der ewig standfeste Sitz aller Unsterblichen, die die Gipfel des schneebedeckten Olymps halten; ferner die beiden nebligen Abgründe, ins Erdinnerste, längs der Passage». [Vers 117-9]
wie sonst wäre aus dem allerersten Zustand namens Chaos herauszukommen? Konzeptionell sieht Hesiod, wie schon Aristoteles vorschlägt, Eros als Eigenheit des Chaos, das dadurch entwicklungsfähig ist.«Gewiss als allererstes erweist sich zwar Chaos aber auch Eros» [Vers 116 und 120],
Sa 27. Apr 2024, 13:46
Sa 27. Apr 2024, 13:53
«Eros dieser Allerschönste unter den unsterblichen Göttern nimmt sowohl all den Göttern als auch all den Menschen
– tiefentspannt im kleinen Tod der Liebe –
Einsicht und weisen Rat.» (Hesiod, Theogonie, Vers 120-2)
«Zum Chaos gehören die Unterwelt, das Finstere, und auch die Lager der Nacht. Aus ihr stammen Himmel und Tagesanabruch; Bring die in der nahen Dunkelheit in Liebe vereint Empfangenen hervor! Die Erde, Gaia, brachte gleich mit sich den gestirnten Himmel hervor, der sie rundum ganz umhüllt, auf dass den seligen Göttern ein niemals wankender Sitz sei.» [Vers 123-128]
Sa 27. Apr 2024, 13:55
Sa 27. Apr 2024, 17:22
So 28. Apr 2024, 20:01
Alltag hat geschrieben:«Lass mich das vorweg in die Runde sagen, weder lügen die
Musen noch sagen sie die Wahrheit, wie es ihnen gefällt.
Sondern die Männer vom Lande unterstellen es,
- besonders jenen mit runden Bäuchen -
Falsches bewusst so zu sagen, dass einer es fürs seines hält.
Oder aber bei einem Wunschkind bewusst Wahres zu sagen
und zu feiern.» (Hesiod, Theogonie, Verse 24 bis 28)
Mo 29. Apr 2024, 12:32
Mo 29. Apr 2024, 23:21
nauplios hat geschrieben:Über die Dichterweihe, die man ja nicht nur bei Hesiod in der Theogonie findet, sondern auch im Lehrgedicht des Parmenides, haben wir uns schon mal im "Bibliotheksturm" unterhalten, oder? Man findet sie in vielen Dichtungen der Antike. Das ist eigentlich nichts Ungewöhnliches im griechischen Epos. Aber diese Musen, von denen Hesiod im Proömium spricht, können sowohl lügen als auch die Wahrheit sagen. Und sie können die Lüge als Wahres erklingen lassen.
[24] Dies hier aber meinerseits vorweg in die Ränge gegen den Spruch
[25] im Lied der Spiele, für die Tochter des mächtigen Zeus, sage ich jetzt:
[26] «Schäfer unter freiem Himmel, unterstellen – dicke(n) Bäuche – besonders,
[27] bewusst sehr viel Falsches sagen, sodass ich’s für Leibhaftig werdend halte,
[28] oder ob bewusst, falls erwünscht, schon jetzt zu feiern wäre.»
Theogonie Vers 24-28
Di 30. Apr 2024, 19:38
Alltag hat geschrieben:
Beim Lesen der altgriechischen Verse habe ich lange zeit Regieanweisungen vermisst. Die Verse wurden im Theater vorgetragen. Geht das ohne Regieanweisungen, ohne Vermerk auf eine Geste?
Hesiod, beispielsweise gewann am Dichterwettbewerb in Chalkis den ersten Preis im Stechen. Doch wie ging das? Für den Donator war es eine Ehre den Wettbewerb zu lancieren. Ich denke es gab ein Vorsprechen, das wir heute Casting nennen, und das dazu dient die Spreu vom Weizen zu trennen. Die durch das Preisgeld verlockten Witzeklopfer und Geschichtenerzähler müssen in einer kurzen Darbietung übertrumpft werden. Das Publikum muss angeheizt werden, denn es entscheidet. Hesiods «besonders die Dicken» kommen das in Spiel: Der Rhapsode wirft seine linke Hand ins Kreuz, schiebt den dicken Bauch vor und streichelt ihn mit der rechten, wie eine in den letzten Wochen Schwangere. Und schon hat er die Matrosen und Männer von Stadt und Land in den Publikumsrängen im Sack, ohne die Ernsthaften und Strenggläubigen unter den Preisrichtern zu brüskieren. (õ,õ)
Di 30. Apr 2024, 19:44
Mo 6. Mai 2024, 10:23
Ich weiss, im Einzelnen steht’s nicht in der zitierten Publikation. Aber ich rundet das Ganze ab, sodass (i) der Platz der Biographie Hesiods in seinem Tagwerk plausibel ist, und sodass es egal ist, (ii) wer den Doppelauftrag formulierte und (iii) wer Kontrahent war, Hauptsache der Sieger wird über alles geehrt. (õ,õ)Die beiden Finalisten erhalten den Doppelauftrag, das Beste aus ihrem Leben und ihrem Werk vorzutragen, wobei die Spontanität des Vortrags bewertet wird.
Hesiod ist durch Losentscheid als erster dran und zitiert aus dem Repertoire seines Kontrahenten die besten Verse, allerdings im Konjunktiv. Doch plötzlich erinnert sich Hesiod an den Rat der Musen, nicht vom Möglichen zu reden, sondern vom Geschehenen, Seienden und Wirkenden. Daher flicht Hesiod seine Biographie aus dem Stegreif in die Versen über das Tagwerk bei der Feldarbeit und Seefahrt ein, um als dann das Wort mit einladender Geste seinem Kontrahenten zu übergeben, indem er den Doppelauftrag zitiert: Was aber ist für dich das Beste aus deinem Leben und Werk.
Sein Kontrahent anerkennt, dass ihm der Wind aus den Segeln genommen worden ist, gibt sich geschlagen und verabschiedet sich, indem er den Musen ein Loblied singt: Angesichts der von den Musen unterstützten, spontanen poetischen Brillanz Hesiods, wäre es sogar Homer nicht anders ergangen.
(Frei zusammengefasst durch Alltag)
Mo 6. Mai 2024, 11:37
Mo 6. Mai 2024, 19:49
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